In der aktuellen Auseinandersetzung um die Novelle des Bundesjagdgesetzes fordern der Bayerische Waldbesitzerverband (WBV) und der BUND Naturschutz in Bayern (BN), dass der notwendige Waldumbau durch ein modernes Jagdrecht und damit einhergehenden angepassten Wildbeständen ermöglicht wird. BN und WBV kritisieren, dass vielerorts kein Mischwald heranwachsen kann, weil überhöhte Bestände von Rehen und Hirschen die jungen Bäumchen auffressen. BN und WBV befürchten, dass den Wäldern auch in Bayern durch die jüngsten Entwicklungen in der Reform des Bundesjagdgesetzes sogar deutliche Verschlechterungen drohen.
Josef Ziegler, Präsident des WBV, und Richard Mergner, Vorsitzender des BN, appellieren eindringlich an die Regierungskoalition im Deutschen Bundestag: „Die Gesellschaft erwartet, dass die Wälder fit für die Zukunft gemacht werden, damit sie ihre unersetzlichen Leistungen für die Allgemeinheit, wie Trinkwasser-, Klima- oder Bodenschutz erfüllen können. Daher muss die Politik mit dem Jagdgesetz den Rahmen so setzen, dass Naturverjüngung und Waldumbau möglich sind und verantwortungsbewusste Jäger und Jägerinnen müssen daran mitwirken.“
Mit einer überhohen Wilddichte ist weder dem Wald noch den Rehen gedient. Positive Beispiele zeigen, dass nach einer Anpassung von Rehen und Hirschen der Wald und die Wildtiere gleichermaßen profitieren und die Artenvielfalt zunimmt. Damit diese lokalen Vorbilder Standard werden können, fordern BN und WBV für das Bundesjagdgesetz insbesondere ein klares Waldverjüngungsziel für heimische und standortgemäße Baumarten, Vegetationsgutachten für alle Jagdreviere und eine bessere Umsetzung der Abschussplanung durch die Behörden, die die Erfüllung des Abschusses auch kontrollieren und gegebenenfalls sanktionieren müssen.
Josef Ziegler, Präsident des WBV: „Ohne bessere rechtliche Rahmenbedingungen werden es die Waldeigentümer nicht schaffen, einen zukunftsfähigen Mischwald aufzubauen. Die Politik muss jetzt den jungen Bäumen helfen, anstatt überflüssige bürokratische Hürden wie ein Lebensraumgutachten einzuführen. Es reicht in der Klimakrise nicht mehr, wenn sich nur die wenig verbissenen Fichten oder Kiefern verjüngen. Auf großer Fläche scheitert der Waldumbau wegen zu vieler Rehe und das ist unverantwortlich gegenüber den kommenden Generationen.“
Richard Mergner, Vorsitzender des BN: „Die Forderung nach immer mehr künstlichen Schutzmaßnahmen wie Zäune oder Plastikkappen zugunsten von Jagdinteressen ist ökologisch sinnlos und ökonomisch weder den Waldbesitzern noch dem Steuerzahler zumutbar. Nur wenn ein stabiler Mischwald im Wesentlichen ohne künstliche Schutzmaßnahmen aufwachsen kann, gelingt die Jahrhundertaufgabe des Waldumbaus.“
Freiherr Götz von Rotenhan, erster Vizepräsident des WBV: „Wir sehen als Waldbesitzer mit Sorge, dass ein Teil der Jägerschaft den Wäldern und deren Eigentümern in dieser existenzbedrohenden Klimakrise die Unterstützung aufkündigt. Wir brauchen die Selbstheilungskräfte des Waldes in Form der Naturverjüngung genauso wie die Saat und Pflanzung geeigneter Baumarten. Insbesondere diejenigen heimischen und standortgerechten Baumarten, die bislang an den durch Käfer und Sturm zerstörten Standorten nicht vorhanden waren, müssen sich zukünftig im Wesentlichen ohne Schutz verjüngen dürfen. Nur so wird der Wald zukünftig ein guter Lebensraum auch für das Wild sein können."
Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des BN: „Es ist völlig absurd, im Jagdgesetz eine Lebensraumanalyse für das Rehwild - deutschlandweit die häufigste Schalenwildart - neu festzuschreiben, nicht aber für bedrohte und seltene Arten wie Rebhuhn und Feldhase. Dies dient offensichtlich nur dazu die überfällige Anpassung des Rehwildes an seinen Lebensraum Wald zu verhindern.“
Hintergrundinformationen:
Große Verbissschäden in weiten Teilen Bayerns
Die Bayerischen Forstbehörden erstellen alle 3 Jahre für die 762 Hegegemeinschaften, Hegeringe und Hochwildhegegemeinschaften in Bayern ein Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung. Wesentlicher Maßstab für die abschließende Wertung der Verbisssituation im Gutachten ist das Erreichen des „Waldverjüngungsziels“ des Bayerischen Jagdgesetzes, d.h. dass sich die standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen natürlich verjüngen können (Quelle: STMELF). Seit 2015 ist in knapp der Hälfte der Hegegemeinschaften die Verbissbelastung als „deutlich zu hoch“ und „zu hoch“ bewertet, zuletzt mit leicht steigender Tendenz (zuletzt in 2018: 47 %). Günstige Verhältnisse gibt es nur in etwa jeder 20. Hegegemeinschaft. In 88 % der Hegegemeinschaften ist der Verbiss seit 2006 nicht „durchgehend tragbar bzw. günstig“, so dass Bäumchen immer wieder mal verbissen werden. In 23 % der Hegegemeinschaften ist die Verbissbelastung seit 2006 sogar „durchgehend zu hoch bzw. deutlich zu hoch“.
Rehe sind nicht bedroht, sondern die häufigste Schalenwildart in Bayern
Der Bayerische Jagdverband und die Deutsche Wildtierstiftung bezeichnen das Rehwild als die häufigste Schalenwildart in Deutschland bzw. Mitteleuropa. In Bayern steigen die gemeldeten Abschusszahlen seit vielen Jahren stetig an. Seit 2010 werden pro Jahr über 300.000 Rehe geschossen (Quelle: Jagd Bayern). Bei einer Jagdfläche von 6,8 Millionen Hektar in Bayern (Quelle: Jagd Bayern) ergibt dies einen Abschuss von ca. 4,5 Rehen pro 100 Hektar Jagdfläche. In Waldgebieten, in denen Naturverjüngungen bzw. Pflanzungen geeigneter Baumarten aufwachsen können, werden i.d.R. 15 bis 20 Rehe pro 100 Hektar erlegt.
Zentrale Forderungen zum Bundesjagdgesetz zur Schalenwildbejagung:
1. Waldverjüngungsziel: Die Hege und Bejagung sollen die Verjüngung aller standortheimischen und standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen.
2. Abschussplanung: Die Abschusspläne sind so festzusetzen und zu kontrollieren, dass eine Naturverjüngung, Saat und Anpflanzung aller standortheimischen und standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglicht wird. Für die Bejagung von Rehwild werden jährliche Mindestabschusspläne erstellt, wofür insbesondere der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen ist.
3. Vegetationsgutachten: Als Grundlage für die Abschussplanung erheben und bewerten die Forstbehörden im 3-Jahresturnus insbesondere auf Jagdrevierebene den Vegetationszustand. Die Ergebnisse der Vegetationsgutachten werden Jägern, Waldbesitzern und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
4. Weiteres: Es soll eine Duldungspflicht in Bezug auf überjagende Hunde bei Gesellschaftsjagden verankert werden.